Über die AV Wartburg

Was unsere „Wartburg“ überhaupt ist ...

Die „Wartburg“ bezeichnet sich selber als „akademische Verbindung“. „Akademisch“ ist leicht erklärt: Sie fühlt sich eng mit dem universitären Leben verbunden und nimmt nur Studenten bzw. in Sonderfällen schon abgeschlossene Akademiker auf.
Die Selbstbezeichnung „Verbindung“ ist schon schwieriger: Eine Verbindung ist ein Zusammenschluss von Studenten – bei der Wartburg nur männlichen –, die entgegen der Beliebigkeit des alltäglichen Zusammenkommens eine Lebensfreundschaft erleben wollen. Dass eine Verbindung kein Geheimbund ist, das erkennt man schon allein daran, dass die Mitglieder bunte Bänder und Mützen in den Verbindungsfarben tragen; bei der Wartburg sind das ein „gold-rot-grünes“ Band und eine grüne Mütze. Die Lebensfreundschaft bedeutet aber auch, dass die Familien der Mitglieder bei den Veranstaltungen immer gerne gesehen sind, und die Verbindung damit auch einen Familiencharakter bekommt.
Der Name „Wartburg“ weist in die Geschichte unserer Verbindung. „Wartburg“ – das ist jene Burg im heutigen Thüringen, auf der der Reformator Martin Luther vor rund 500 Jahren die Bibel in allgemeinverständliches Deutsch übersetzt hat. Er geht dabei von einem mündigen Menschen aus, denn jeder Mensch ist selber für seine Beziehung zu Gott verantwortlich. Überdies hat die Bibelübersetzung starke Impulse für eine Entwicklung einer deutschen Schriftsprache und einer deutschen Identität mit sich gebracht

Die Wahl des Namens ist auch deshalb auf diesen Meilenstein der Geschichte gefallen, weil die „Wartburg“ 1885 ursprünglich als evangelische Theologenverbindung gegründet worden ist. An der Wiener Fakultät – der einzigen in der österreichischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie – haben Studenten aus dem großen Raum der Monarchie miteinander studiert, und sich in ihrer Freizeit in der „Wartburg“ getroffen.

Es ging ihnen dabei auch um ein Hochhalten der eigenen kulturellen und religiösen Werte in einer Zeit, in der die Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Nationalitäten in der Habsburgermonarchie ihren Höhepunkt erlebt hat. Bewusst stellte man sich in die Tradition der Burschenschaft, die am Beginn des 19. Jahrhunderts im Kampf gegen einen feudalen Reaktionismus gegründet worden war, und die in den Revolutionstagen 1848 auch in Wien auf der Seite des Fortschritts gestanden war.
Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hat die „Wartburg“ aber schon Studenten anderer Fakultäten aufgenommen, wie sie auch Studenten anderer Konfessionen aufgenommen hat. Dennoch war der enge Bezug zur evangelischen Kirche bis zum Zweiten Weltkrieg gegeben.
Das Verbindungsleben ist – und war von Anfang an – von der Überzeugung getragen, dass gerade Akademiker ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen müssen: mehrere Universitätsprofessoren waren Wartburgen, Wartburgen waren hohe Vertreter der evangelischen Kirche Österreichs wie auch der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie, und manche Wartburgen waren und sind auch in Wirtschaft und Politik tätig.
Der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie 1918 und der katholische Ständestaat ab 1934 brachte eine massive Belastung für einen evangelisch geprägten Zusammenschluss, der sich über das Gebiet der großen Habsburgermonarchie erstreckte. Die Suche nach politischen Alternativen im Deutschen Reich erfuhr bereits 1938 eine nachhaltige Ernüchterung, als kurze Zeit nach dem Anschluss alle Verbindungen – auch die Wartburg – von Hitlerdeutschland verboten und aufgelöst wurden, und 1939 der Zweite Weltkrieg und die Jahre danach unendliches Leid und Unrecht über alle Welt brachte.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war nicht danach, sofort nach Wiedererstehen Österreichs an eine Wiedergründung der Verbindung zu denken; erst 1958 konnte eine Wiederbegründung erfolgen.
Zwar erhielt sich die evangelische Prägung der Wartburg, aber immer weniger Theologen fanden den Weg zur Wartburg. Heute hat die Wartburg keinen besonderen theologischen Charakter mehr, auch wenn noch immer überdurchschnittlich viele Protestanten bei der Verbindung sind. Das Verbindungsleben hat ähnliche Eckpunkte wie das anderer Verbindungen.
Die Wartburg nimmt einen festen Platz im Wiener Korporationsleben ein, und hat im Wiener Korporationsring (WKR) auch immer wieder den Vorsitz innegehabt. Sie ist – seit ihrer Gründung – fakultativ-schlagend, d.h. sie verpflichtet ihre Mitglieder nicht auf das Mensurfechten, stellt ihnen dieses aber frei; Heutzutage steht diese Frage aber nicht mehr im Mittelpunkt des farbstudentischen Lebens.
Das Verbindungsleben umfasst ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm, das von Diskussionsrunden über gesellige Treffen bis hin zu gemeinsamen Couleurfahrten reicht. Neben diesen Veranstaltungen treffen einander die Mitglieder auch privat, gehen miteinander fort und unternehmen Gemeinsames. – Zu einem Höhepunkt ist die Fahrt nach Thüringen anlässlich des 100. Stiftungsfestes 1985 geworden, die so erfolgreich war, dass die Verbindung – mit verschiedenen Zielen – in der Zwischenzeit mehrere Fahrten unternommen hat.
Letzter Meilenstein in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Wartburg war der Kauf eines eigenen Hauses im 15. Bezirk vor einigen Jahren, in dem auch ein Studentenheim betrieben wird, das für Studentinnen und Studenten während ihres Studiums offen steht, und das auch dazu einladen soll, am vielfältigen Leben der Verbindung teilzunehmen.
AH Faust

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